Beim Fachdialog am 19.09.2024 tauschten sich über 50 Expert*innen und Multiplikator*innen über die Bedeutung von ‚Identität und Zugehörigkeit‘ im Kontext von Demokratiebildung in der Migrationsgesellschaft aus. Dass die öffentliche Debatte zum Thema Migration in diesen Tagen so zugespitzt und emotionalisiert verläuft, motivierte die Veranstalter um so mehr, ein Format anzubieten, das ein faires, sachliches Gespräch auch über sensible und strittige Fragen ermöglichen sollte. Mit Blick auf die Zukunft erachten wir eine konstruktive Diskussion darüber, wie die vielen Träger und Akteure der Demokratiebildung mit ungelösten Fragen der ‚Identität und Zugehörigkeit‘ in der Demokratiebildung umgehen können, für unerlässlich.
Im Mittelpunkt des ersten Panels „Keine Angst vor Stereotypen: Konflikte um Identitätsbildung in Schulen und Bildungseinrichtungen“ standen zunächst die Ergebnisse und Auswertungen von zwei empirischen Studien: Zunächst ging es um eine Studie, die sich mit den Zugehörigkeitsgefühlen von Jugendlichen aus Berlin in ihrem privaten und schulischen Umfeld befasste. In einem weiteren Schritt wurden die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zum Thema ‚Gefühlskulturen in der Einwanderungsgesellschaft zwischen Verweigerung und Teilhabe‘ vorgestellt. In der Diskussion wurde deutlich, wie breitgefächert und kontrovers Ergebnisse wissenschaftlicher Studien interpretiert werden können, wenn es um die Verwendung von Begrifflichkeiten wie ‚Diskriminierung‘ und ‚Rassismus‘ geht. In diese Debatte wurden auf dem Podium Erfahrungen aus der Praxis an einer Berliner Schule eingebracht: Offensichtlich – so ein Fazit – ist von einem auf Dauer angelegten Konflikt um Herkunft und Identität in vielen Schulen auszugehen. Dies sei jedoch ein permanenter Prozess mit vielen Grauzonen; positiv sei die Beziehungsarbeit der Lehrkräfte und die Resilienz der Schüler hervorzuheben.
Ein weiteres Panel befasste sich mit dem ‚Sprechen über den Nahostkonflikt im Kontext deutscher Geschichte: Herausforderungen, Perspektiven, Empfehlungen‘. Im Kontext des nicht enden wollenden Krieges im Nahen Osten mit stetig steigenden Opferzahlen fällt es vielen Lehrkräften in Schulen und Bildungseinrichtungen sowie Multiplikator*innen im Bereich der außerschulischen Demokratiebildung immer schwerer, diesen Konflikt mit seinen höchst komplexen Realitäten und Wahrnehmungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen angemessen zu behandeln. Der Umgang mit der Vielzahl an Sichtweisen auf diesen Konflikt, aber insbesondere auch der unterschiedlichsten familiengeschichtlich bedingten emotionalen Betroffenheiten, stellt nicht nur in der Schule eine enorme Herausforderung dar.
Die Veranstalter hatten Panelisten eingeladen, die durch ihre Herkunft und Biografien in unterschiedlichster Weise durch den Nahostkonflikt geprägt sind. In einer knapp zweistündigen Debatte – auf dem Panel und mit dem Publikum – standen von Anfang an die Schwierigkeiten im Vordergrund, die immer wieder neuen Entwicklungen in diesem Konflikt zu verarbeiten und einzuordnen. Es wurde deutlich, wie sehr alle Panelisten sich ganz persönlich betroffen und herausgefordert sehen und wie sehr die emotionale Dimension – nicht zuletzt aufgrund der familiengeschichtlichen Bezüge – auch den beruflichen Umgang mit dem Konflikt bestimmt. Wie man unter dem Dach der – kritisch diskutierten – ‚Staatsräson‘ offen über das israelisch-deutsche Verhältnis sprechen könne, war ein weiteres wichtiges Thema. Dabei wurde klar, dass man um das vielschichtige Thema der ‚deutschen Erinnerungskultur‘ insbesondere in der Arbeit mit Schülern und Jugendlichen in einer Migrationsgesellschaft nicht herumkommt. Hier brauche es neue Perspektiven und Zugänge, um eine jüngere Generation von Schüler*innen mit ganz anderen Familienbiografien zu erreichen – so eine von allen Panelisten geteilte Einschätzung.
Diese Empfehlung an die politische und Demokratiebildung wurde als guter Schlussakkord angesehen: Die Diskussion wurde noch bis in den Abend im informellen Kreis fortgeführt.
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